Sage: Definition, Merkmale und Beispiel (2023)

Vor langer, langer Zeit lebte auf einem Felsen am Ufer des Rheins die junge und wunderschöne Loreley. Mit ihrer zauberhaften Stimme zog sie alle Menschen, die ihren Gesang hörten, in ihren Bann. Das hatte jedoch schwerwiegende Folgen: Nicht nur Spaziergänger wurden von ihrer Stimme angelockt, sondern auch Fischer. Diese fischten auf dem Rhein und achteten nicht mehr auf die Felsen, die am Rande des Flusses thronten. So kam es, dass einige von ihnen an den Felsen zerschellten und mit ihrem Schiff auf den Grund des Rheins sanken ...

Um den Loreley-Felsen im Mittelrhein ranken sich viele verschiedene Sagen, in denen die schöne Loreley als Mädchen, Nixe oder sogar als Hexe beschrieben wird. Doch was genau ist eine Sage?

Sage – Definition

Die Sage ist laut Definition ein kurzer Text in Form einer Erzählung, die bereits in der Antike existierte. Der heutige Begriff der Sage entstammt dem althochdeutschen Wort Saga, was "Gesagtes" bedeutet. Das bezeichnet den Charakter der Sage treffend, denn diese Art der Erzählung wurde zunächst überwiegend mündlich überliefert.

Den Begriff "Sage" haben die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm in Deutschland etabliert. Neben ihrer Kinder- und Hausmärchensammlung haben die Gebrüder auch das erste Deutsche Wörterbuch begründet. Sie bezeichneten die Sage im Jahr 1893 als:

[...] eine Kunde von Ereignissen der Vergangenheit, die einer historischen Beglaubigung entbehrt und geprägt von naiver Geschichtserzählung und Überlieferung ist, die bei ihrer Wanderung durch das dichterische Vermögen des Volksgemüthts umgestaltet wurde.

(Gebrüder Grimm 1893)

Obwohl die Sage eine mündlich überlieferte Geschichtserzählung ist, gibt sie vor, von Orten, Personen und Geschehnissen zu handeln, die tatsächlich existierten. So entsteht eine Mischung aus realen Handlungsorten, Handlungszeiten und Hauptpersonen auf der einen Seite und das Auftreten von Magie, Zauberei und Fabelwesen auf der anderen Seite.

Dass einige Sagen berühmter sind als andere, liegt häufig an der Regionalität der Erzählungen. Die Sage wurde an einem bestimmten Ort erfunden und dann innerhalb des dort ansässigen Volksstammes weitererzählt, bis sie schlussendlich aufgeschrieben wurde. Daher besitzen Sagen auch keine/n Autor*in, denn durch die mündliche Überlieferung kann kein/e Erfinder*in der Erzählung ausgemacht werden.

Diese Überlieferungen wurden durch das Weitertragen der Menschen verändert. Deshalb finden sich in einigen Sagen Inhalte anderer Kulturen wieder, die durch Wanderer aufgenommen und mit der eigenen Erzählung verbunden wurden.

Die Sage ist eine kurze Form der Erzählung, die keinen originalen Verfasser aufweist, weil sie mündlich überliefert wurde. Inhaltlich handelt die Sage von realen Orten, Personen und Geschehnissen, die mit fiktiven Figuren und Fähigkeiten, wie Fabelwesen oder Magie, verbunden werden.

Sagen – Merkmale & Beispiele

Die Sage weist individuelle Merkmale auf, wodurch sie sich von ähnlichen Textsorten, wie dem Märchen oder der Fabel, abgrenzen lässt.

Spannende Ereignisse in einer Sage

Die Sage kann inhaltlich viele verschiedene Themen aus der Vergangenheit behandeln. Dabei dreht sich die Handlung meist um spannende Ereignisse, wie die abenteuerliche Reise eines Helden bzw. Heldin, gewaltige Naturereignisse und ihre Auswirkungen, Traditionen von Bräuchen oder Namen, aber auch regionale Geschehnisse.

Allgemein werden durch die Inhalte der Sagen Besonderheiten eines Ortes oder einer Region dargestellt oder sie dienen als Annäherung an etwas Unerklärliches. Die Sage hebt sich von vielen anderen Erzählungen dadurch ab, dass ein gutes Ende der Handlung nicht garantiert ist. Häufig dominiert das Böse und der/die Held*in verliert.

Sage mit der Reise eines Helden:

Die König-Artus-Sage ist eine der bekanntesten englischen Sagen. Sie handelt vom tapferen Artus, der das Schwert Excalibur aus dem Felsen zieht und dadurch Anspruch auf den britischen Thron hat, wo er später als gerechter König und Anführer der Ritter der Tafelrunde herrscht.

Sage mit dem Sieg des Bösen:

Die Sage des kopflosen Reiters ist vor allem im Rheinland bekannt. Sie handelt von einem Reiter ohne Kopf, der Nachts im Wald umherreitet und nach Erlösung sucht. Der kopflose Reiter tötet allein durch die Berührung mit seiner Hand und kann nur durch Blickkontakt und einen lauten Gruß oder ein Gebet erlöst werden.

Übernatürliche Ereignisse in einer Sage

Neben den realen Anlässen, auf denen die Sage beruht, sind auch übernatürliche Gestalten wie Fabelwesen oder magische Ereignisse in den Erzählungen zu finden. Damit verknüpfen Sagen Ereignisse aus der realen Welt mit dem Übernatürlichen, das eigentlich unmöglich ist. Dieses Phänomen dient der Erklärung von außergewöhnlichen und scheinbar unmöglichen Ereignissen, für die es zur Entstehungszeit der Sage noch keine Antwort gab.

Sage mit übernatürlichen Gestalten und Ereignissen

Um den Berggeist Rübezahl aus dem Riesengebirge ranken sich eine Vielzahl an Sagen. Er erscheint in unterschiedlicher Gestalt, wie zum Beispiel als Mönch, Handwerker oder Bergmann, und gilt als Herrscher über das Wetter im Riesengebirge. Gegenüber freundlichen und armen Menschen ist er nett, aber wenn er verspottet wird, rächt er sich, indem er Unwetter schickt. Rübezahl führt Wanderer in die Irre und er besitzt die Macht, wertlose Dinge wie Laub in Gold zu verwandeln.

Wahrer Hintergrund der Sage

Der Kern der Sage basiert auf einer wahren Begebenheit. Oder anders: Dadurch, dass häufig reale Personen, Orte und Ereignisse Inhalt der Sage sind, gibt sie vor, einen wahren Kern zu besitzen. Allerdings kann nicht abschließend nachgewiesen werden, ob sich die Ereignisse wirklich so zugetragen haben, denn die Sagen wurden seit vielen Jahrhunderten mündlich überliefert, sodass keine Aufzeichnungen vorhanden sind.

Den realen Handlungsort oder die Person, von der die Sage handelt, kann man häufig schon an ihrem Titel erkennen.

Sage mit realem Handlungsort und genauer Zeitangabe

Der Rattenfänger von Hameln gilt als Bösewicht in der Sagenwelt. Im Jahr 1284 soll er die niedersächsische Stadt Hameln von Ratten befreit haben, indem er die Tiere mit seiner Pfeifenmelodie in die Weser gelockt hat. Die Bürger von Hameln verweigerten dem Rattenfänger seinen Lohn, woraufhin er in der Gestalt eines Jägers zurückkam und mit seinem Pfeifenspiel Kinder aus der Stadt in den Wald lockte. Insgesamt sollen wegen des Rattenfängers von Hameln 130 Kinder verschwunden sein.

Die Weser ist ein Fluss, der durch die Mittelgebirgsschwelle und das norddeutsche Tiefland fließt.

Regionale Herkunft der Sage

Sagen besitzen einen volkstümlichen Charakter. Das bedeutet, dass sie nur in einer Region bekannt sind und aufgrund der örtlichen Begebenheiten auch nur diesen Ort und damit das Volk betreffen. Darüber hinaus gibt es Sagen, die so populär sind, dass sie im ganzen Land bekannt sind oder auch über die Landesgrenzen hinaus.

Sage mit regionaler Herkunft

Im Lattengebirge im Berchtesgadener Land gibt es eine sonderbar geformt Felsspitze, die sogenannte "Steinerne Agnes". Der Name der Felsspitze beruht auf einer Sage, nach der das wunderschöne Mädchen Agnes von allen wegen ihrer Schönheit und ihrem Charakter beneidet wurde. Das führte dazu, dass sie hochmütig wurde und die jungen Männer im Ort gegeneinander ausspielte. Eines Tages wurde sie selbst von einem stattlichen Jäger verführt und erwartete ein uneheliches Kind von ihm, denn der Mann ließ sich nicht mehr blicken. Vor Scham und Angst vor dem Spott der Dorfbewohner tötete sie ihr Kind, woraufhin Gott sie auf den Berg führte und zu Stein erstarren ließ.

Sage – Aufbau

Wie andere epische Erzählungen ist auch der Aufbau einer Sage in Einleitung, Hauptteil und Schluss gegliedert.

Einleitung:

In der Einleitung wird die Vorgeschichte der Sage beschrieben und die W-Fragen Wo? und Wann? beantwortet. Dadurch kann die Geschichte zeitlich und örtlich eingeordnet werden. Außerdem wird bereits die Spannung aufgebaut, die sich in der Handlung im Hauptteil fortsetzt.

Hauptteil:

Der Hauptteil der Sage enthält die Handlung der Sage. Dafür werden die W-Fragen Wer? und Was? beantwortet, die einerseits die Hauptfigur der Erzählung vorstellen und andererseits beschreiben, was in der Sage passiert. Der Hauptteil enthält neben der Spannungssteigerung außerdem den Höhepunkt der Sage.

Schluss:

Der Schluss bildet das Ende der Sage. Darin fällt die Spannung wieder, es wird beschrieben wie die Sage endet und welche Auswirkungen die Sage auf die heutige Zeit hat.

Durch die gesamte Sage zieht sich ein roter Faden, an dem sich die Handlung orientiert. Dieser rote Faden formt von der Einleitung, über den Hauptteil bis zum Schluss einen Spannungsbogen.

Sage: Definition, Merkmale und Beispiel (1)Abbildung 2: Spannungsbogen Sage

Abgrenzung der Sage zu anderen Erzählungen

Die Sage enthält einige Elemente, die ebenfalls in anderen Arten der Erzählung, wie in Märchen, Legenden oder auch Fabeln vorhanden sind.

Sagen und Legenden

Sagen und Legenden sind beides kurze Formen der Erzählung. Jedoch unterscheiden sich die Textsorten darin, dass Legenden ausschließlich von heiligen Personen oder Ereignissen handeln.

Im Gegensatz zu den Sagen weisen die Legenden also einen kirchlichen beziehungsweise religiösen Bezug auf.

Sagen und Märchen

Märchen haben im Gegensatz zu Sagen keinen Realitätsanspruch und enthalten keine Angaben zum Handlungsort und zur Zeit der Handlung. Außerdem sind die handelnden Figuren weniger individuell als bei der Sage, denn in den meisten Märchen treten immer wiederkehrende Arten von Figuren, wie Prinzessinnen, Hexen und Könige sowie Königinnen auf. Die sogenannten Volksmärchen basieren ebenfalls auf der mündlichen Überlieferung, während die Kunstmärchen von Autor*innen verfasst werden.

Sagen und Fabeln

Fabeln unterscheiden sich in vielen Aspekten von der Sage. Zum einen werden sie von Autor*innen verfasst und weisen keine konkreten Orts- und Zeitangaben auf. Zum anderen handeln in der Fabel Tiere mit bestimmten Eigenschaften anstelle von menschlichen Akteur*innen. Durch die Fabel sollen zudem Lehren vermittelt werden.

Arten von Sagen

Es wird zwischen vier verschiedenen Arten von Sagen unterschieden. Diese Unterscheidung erfolgt anhand der Hauptperson oder der Verbreitung der Sage.

Göttersagen

Die Göttersagen handeln von der Erschaffung der Welt durch die Götter sowie ihrer Beziehung zu den Menschen. Hier werden ihre Aufgaben, Eigenschaften und Herrschaftskämpfe untereinander und die Art, wie sie den Gang der Welt lenken, thematisiert. Die bekanntesten Göttersagen stammen aus der griechischen, nordischen und germanischen Mythologie.

Wie Europa zu seinem Namen kam

Der Göttervater Zeus möchte die schöne Europa verführen. Um dies vor seiner Frau Hera geheim zu halten und das Vertrauen Europas zu gewinnen, nimmt er die Gestalt eines Stieres an. Europa steigt sodann auf den Rücken des Stieres, der mit ihr Richtung Meer geht und nach Kreta schwimmt. Auf der Insel gibt Zeus seine wahre Gestalt zu erkennen und lässt Europa auf der Insel zurück. Dieser Ort, also der Kontinent, auf dem Kreta liegt, wird dadurch nach ihr benannt.

Heldensagen

Heldensagen haben das Leben oder die Reise einer einzelnen Person zum Inhalt, die durch eine außergewöhnliche Tat zum/zur Held*in wird. Dabei wird entweder der Aufstieg einer Persönlichkeit thematisiert oder das Verhältnis und das machtpolitische Streben von bereits existierenden Herrschern.

Ein Beispiel für eine Heldensage ist die zuvor unter "Spannende Ereignisse in Sagen" genannte König-Artus-Sage.

Volkssagen

Volkssagen entstammen der Mitte des Volkes. Das bedeutet, dass sie vor allem den Alltag und Dinge, die die Menschen ihn ihrem Leben bewegen, thematisieren.

Unterformen der Volkssage

  • Die ätiologische Sage ist eine Sage, die für das Volk als Erklärung für Naturerscheinungen, ein außergewöhnliches Ereignis oder für eine bestimmte Tradition dient.
  • Natursagen beschränken sich in ihrem Inhalt auf Ereignisse und Wesen aus der Natur. Dazu zählen beispielsweise Wassergeister, Nixen, Feen oder Geister. Häufig sind Natursagen auf eine bestimmte Region beschränkt.
  • Die Lokalsage ist auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt, sodass sie nur beim ansässigen Volk bekannt ist und von den Begebenheiten des Ortes handelt.
  • Der Rattenfänger von Hameln ist ein Beispiel für eine Volkssage, die in ganz Deutschland bekannt ist.
  • Die Sage vom Berggeist Rübezahl ist ein Beispiel für eine Natursage.
  • Die Sage von der Loreley ist ebenfalls eine Volkssage. Bei der Version, in der die Loreley eine Nixe ist, handelt es sich darüber hinaus um eine Natursage.

Wandersage

Die Wandersage ähnelt in ihrem Inhalt der Volkssage. Auffällig ist jedoch, dass die Wandersage im Gegensatz zur Lokalsage in verschiedenen Regionen in unterschiedlichen Versionen verbreitet ist. Die Sage ist sogar so weit verbreitet, dass sie in anderen Ländern und Kulturen vorhanden ist.

Die Sage vom kopflosen Reiter existiert auch in der irischen Sagenwelt. Dort ist er als Dullahan bekannt, der seinen Kopf in der Hand trägt und durch den Anblick von Gold in die Flucht geschlagen wird.

Sage - Das Wichtigste

  • Die Sage ist eine kurze Form der Erzählung, die keinen originalen Verfasser aufweist, weil sie mündlich überliefert wurde.
  • Inhaltlich handelt die Sage von realen Orten, Personen und Geschehnissen, die mit fiktiven Figuren und Fähigkeiten, wie Fabelwesen oder Magie, verbunden werden.
  • Sagen zeichnen sich durch die Handlung von spannenden oder übernatürlichen Ereignissen, ihren wahren Kern und ihre regionale Herkunft aus.
  • Zu den unterschiedlichen Arten der Sage zählen die Göttersage, die Heldensage, die Volkssage und die Wandersage.
  • Die Sage enthält einige Elemente, die ebenfalls in anderen Arten der Erzählung, wie vorhanden sind, unterscheidet sich aber durch einige Aspekte vom Märchen, von der Legende und von der Fabel.
  • Zu den bekanntesten deutschen Sagen zählen der Rattenfänger von Hameln, die Loreley, und der Berggeist Rübezahl.
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Author: Ms. Lucile Johns

Last Updated: 03/16/2023

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